Bier aus Winzers Hand

Aufsehen erregte der Hollenburger Winzer Christoph Hoch bisher vor allem durch seine biodynamischen, spontan vergorenen Schaumweine. Jetzt macht die Familie zusätzlich auch noch Bier – und zwar auf dieselbe Art.

Christoph Hoch hat schon viele Verkostungen mitgemacht, an eine aber erinnert er sich besonders: „2019 war das, bei einer Blindverkostung in Kopenhagen, etliche Chenin Blancs und ein prickelnder, den ich ebenso für einen hielt, großartige Nummer. War aber Bier.“ Je länger er darüber nachdachte, desto mehr Gemeinsamkeiten fielen ihm auf. Beides sind spontane Fermentationsprodukte. Beim einen dienen Trauben als Rohstoff, beim anderen Gerste und Hopfen, beide lassen sich im Holzfass lagern. „Da war mein Ehrgeiz geweckt.“ Seit 2020 macht der Hollenburger nun zu seinen spontan vergorenen Schaumweinen gemeinsam mit seiner Familie und seinem Team also auch noch Bier. Da musste sein Großvater erst mal schlucken, weil: Schon wieder im Holzfass? 
 

Ein bisschen verrückt ist völlig normal

Dabei ist diesem Großvater zunächst der Ort zu verdanken, an dem wir uns befinden, schließlich hatte er den familiären Weinbau fortgeführt. In den 1950ern hatte Hollenburg fünfzig Winzer:innen, heute nur noch einige wenige. Ein hübsches Dorf mit Donauzugang und einem ehrwürdigen Schloss im Besitz der Familie Geymüller, in dem sich sowohl eine beachtliche Sammlung zeitgenössischer Kunst als auch ein zur Toilette umfunktioniertes Weinfass befindet. Der achtzehn Meter unter der Erde gelegene Schlosskeller hält die Temperatur ganzjährig nahezu konstant. Von dort sind es nur wenige Meter zu Christophs Wohnhaus, in dessen Hof tiefschwarze, aus dem 19. Jahrhundert stammende Holzfässer ruhen. Die Kreidetafel gehört seinen Kindern, wird möglicherweise aber auch von ihm selbst benutzt, ist er doch für seine akribischen Weinherstellungsskizzen bekannt. Eine Pergola wirft ihren Schatten auf ein Schild, auf dem steht: „Ein bisschen verrückt ist völlig normal.“ 

Christoph Hoch

Am Wein reizte mich, dass man Großes erreichen kann.

Christoph Hoch

Vieles regelt die Zeit

Seit 1640 gibt es das elterliche Weingut, das lange Zeit auch Obstbau betrieb. Christophs Entscheidung war klar: „Am Wein reizte mich, dass man Großes erreichen kann.“ Nach Stationen beim Südtiroler Weingut Hofstätter, dem Weingut der Stadt Krems und Rudi Pichler machte er sich 2013 mit Unterstützung der Familie selbstständig. Dass er von Beginn an auf Holzfasslagerung setzte, war für seinen Großvater „ein schwerer Moment“, hatte dieser doch als Zeichen des Fortschritts von Holz auf Plastik umgestellt, dessen Sohn wiederum auf Stahl. Christoph blieb seiner Philosophie treu, auch mit seiner von Anfang an biodynamischen Bewirtschaftung, die auf Zusätze und Schönung verzichtet. „In der Weinbauschule wurde Spontanvergärung als Schwachsinn abgetan. Für mich ergibt nichts anderes Sinn. Nach der Ernte beobachten wir, was in den Fässern vor sich geht. Vieles regelt die Zeit – einer unserer wichtigsten Faktoren.“ Seine Eltern haben ihn immer unterstützt – und sind seit 2015 ebenfalls biologisch zertifiziert. Über zehn Jahre nach der Betriebsgründung produziert Christoph 75 Prozent prickelnden Wein von den kalkreichen Hollenburger Konglomeratböden. Dreiviertel davon macht Grüner Veltliner aus, allesamt Jahrgangscuvées. 85 Prozent seiner Weine gehen ins Ausland. Stolz ist er, in den Foodie-Metropolen London, Kopenhagen und Paris vertreten zu sein. Einmal kamen sogar Käufer:innen aus Japan, was den Großvater dann doch ziemlich beeindruckt hat. 

Jetzt also Bier ...

... und zwar nach belgischem Vorbild, „weil die Vielfalt an Stilen in Österreich doch ein wenig reduziert ist.“ Lambic beziehungsweise Geuze heißt der älteste, beinahe in Vergessenheit geratene Bierstil der Welt, bei dem verschiedene Jahrgänge cuvéetiert werden. In Belgien nehmen sich ihm lediglich noch fünfzehn Brauer an, mittlerweile „echte Rockstars“, wie Christoph ehrfürchtig feststellt. Die Familie braut am Weingut selbst und kooperiert mit anderen Brauereien in Belgien, Frankreich, Deutschland, Österreich, Italien und der Schweiz. Einige der Biere sind spontanvergoren, manche kommen für ein Jahr ins Holzfass, andere länger und sogar in den Genuss einer Zweitfermentation. So manch eines wird mit Früchten veredelt. Das Ergebnis ist funky, verspielt, Geschmacksgrenzen auslotend: eine natürlich erfrischende Abwechslung. HOPFENGRUND_ heißt das Bierprojekt, welches, das ist ihm sehr wichtig, erstens vom Wein zu trennen und zweitens ein Gemeinschaftsprojekt sei, zusammen mit seiner Frau Julie – die abgesehen davon auch weintraubenbasierte Botanicals macht, mit Lavendel und Holler zum Beispiel – und seinen Eltern Andrea und Harald sowie Stefan Fleck und Dominik Wszolek.


Abschließende Frage: Trinkt sein Großvater, der trotz hohen Alters fest eingebunden ist in den Betrieb, unter anderem als Kräuterselektionierer und Flaschenrüttler, Christophs Weine? „Früher weigerte er sich. Als er vor einiger Zeit beim Verkosten bemerkte, das schmecke wie seine eigenen Weine früher, war das für mich das größte Kompliment. Inzwischen schenkt er sich das ein, was gerade offen ist – oder ein Bier.“